„Viele gute Ansätze, wir brauchen aber deutlich mehr Tempo“
„Viele gute Ansätze, wir brauchen aber deutlich mehr Tempo“
Die Tropenwaldstiftung OroVerde war mit einem kleinen Team auf der Klimakonferenz in Glasgow und verfolgte die Verhandlungen direkt vor Ort. Wir sprachen mit OroVerde-Mitarbeiterin Ineke Naendrup über ihre Eindrücke und das Ergebnis
Ihr wart als Tropenwaldstiftung OroVerde mit einem Team vor Ort auf der Klimakonferenz in Glasgow. Wie war euer Eindruck?
Ineke Naendrup: Zunächst einmal hat es uns sehr gefreut, dass unser Kernthema, der Schutz von Wäldern, bereits zum Start der Konferenz in den Vordergrund gerückt wurde. Mehr als 100 Staaten unterzeichneten ein Abkommen, die Entwaldung bis 2030 zu beenden bzw. umzukehren und machten damit deutlich, dass Wald- und Klimaschutz nur zusammen gedacht werden kann und wir intakte Waldökosysteme für eine gesunde Erde benötigen. Mit Russland und Brasilien haben in Glasgow sogar Länder unterschrieben, mit denen bisher kaum ein Dialog zu diesem Thema stattfand.
Wie bei vielen anderen Erklärungen und Abkommen, die in Glasgow verkündet wurden, muss man jedoch abwarten, was am Ende tatsächlich dabei herauskommt, da sie in keiner Weise verpflichtend sind und ähnliche Abkommen bereits früher gescheitert sind. Außerdem ist es quasi ein Freifahrtschein, mit der Entwaldung noch bis 2030 weiterzumachen. So schwingt bei aller Freude über die Bedeutung, die Waldschutz auf der COP gewonnen hat, auch die Sorge mit, dass es mehr um Worte als um Taten geht. Angesichts der dramatischen Auswirkungen, die viele Länder bereits jetzt durch den Klimawandel spüren, bewegt sich das Ganze zu langsam und es bleibt bei vielen Versprechen.
Aber?
Es wurden dennoch einige Schritte unternommen, länderübergreifende Gespräche und wichtige Diskussionen geführt und das Thema Klimaschutz hat große Aufmerksamkeit in den Medien bekommen.
Welche Rolle habt ihr auf der Klimakonferenz eingenommen?
Wir haben die Konferenz vor allem dafür genutzt, unsere Erfahrungen aus vielen Jahren Projektarbeit zum Tropenwaldschutz mit anderen Organisationen und Menschen vor Ort auszutauschen. Es gibt bereits viele lokale Lösungen, daher ist es wichtig, sich zu vernetzen, voneinander zu lernen und zu schauen, wie man Finanzierung für Partner und Lösungsansätze vor Ort hebeln kann. Auch unsere Partnerorganisation aus Guatemala, Fundación Defensores de la Naturaleza, war mit uns in Glasgow. Wir haben gemeinsam unsere Projektarbeit auf verschiedenen Side-Events vorgestellt und konkrete Handlungsempfehlungen aus den Projekten geteilt. Es war sehr schön, hier gemeinsam mit unseren Partnern neue Kontakte aufzubauen und ihre Arbeit sichtbarer zu machen.
Wo seht ihr positive Entwicklungen?
Das Regelwerk des Pariser Abkommens ist nun fertig gestellt, was hoffentlich die Umsetzung der Klimaziele einheitlich klärt und vereinfacht. Auch die wissenschaftlichen Fakten wurden hier geschärft, sodass diese nun aktuelle wissenschaftliche Prognosen und insbesondere die Bedeutung, schnell zu handeln und Emissionen drastisch zu reduzieren, unterstreichen. So wird auch im Abschlussdokument deutlich formuliert, dass bis 2030 gemeinsam die globalen Emissionen um 45% gesenkt werden müssen. Bisher reichen die Pläne der Länder zur Reduzierung ihrer Emissionen allerdings bei weitem nicht aus, um das zu erreichen.
Positiv war, dass sich Staaten, die sich bisher wenig dem Klimaschutz verpflichtet haben, offener gegenüber den Verhandlungen zeigten, beispielsweise Russland und Brasilien im Abkommen zum Waldschutz bis 2030, und länderübergreifende Dialoge entstanden sind, beispielsweise zwischen den USA und China zur Zusammenarbeit für das 1,5 Grad-Ziel.
Auch die Zusagen für Finanzhilfen für Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel wurden erhöht. Bisher haben die Industrieländer lediglich knapp 20% der versprochenen jährlichen Klimaschutz-Zahlungen aufgebracht. Diese sollen nun aber, zunächst bis 2025, verdoppelt werden.
Wo seht ihr den größten Handlungsbedarf?
Die versprochenen Klimazahlungen durch die Industrieländer müssen endlich in der notwendigen Höhe erfolgen, um Ländern, die bereits heute stark von den Folgen des Klimawandels betroffen sind, in ihrer Anpassung zu unterstützen.
Der geplante Fond für klimawandelbedingte Verluste und Schäden wurde letztlich durch Zahlungen zur technischen Beratung nach Schadereignissen ersetzt. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, jedoch unzureichend, um Staaten ausreichend zu entschädigen und einen Wiederaufbau vor Ort zu ermöglichen. Selbst bei Erreichung des Best-Case-Szenarios von 1,5 Grad Erderwärmung, was derzeit leider nicht realistisch erscheint, werden viele Regionen von extremen Auswirkungen des Klimawandels betroffen sein, die sich nicht über Anpassungsmaßnahmen vollständig lösen lassen.
Einer der größten Handlungsbedarfe besteht zudem in der Umsetzung der unterzeichneten Abkommen. Insbesondere im Thema Waldschutz braucht es hier bereits in den nächsten Jahren konkrete Maßnahmen für den Erhalt und die Regeneration bestehender Wälder, damit es 2030 überhaupt noch ausreichend Waldflächen zu schützen gibt.
Dein Resumee der Verhandlungen?
Es gibt viele gute Ansätze, aber wir brauchen deutlich mehr Tempo.
Weitere Informationen
=> OroVerde – die Tropenwaldstiftung
UN-Klimabericht: Welt muss Klimaschutz versiebenfachen