Manfred Holz: Ehrenbotschafter des Fairen Handels
»Es geht um Würde«
Manfred Holz: Ehrenbotschafter des Fairen Handels
Wer sich im Umfeld des Fairen Handels in Deutschland nach Manfred Holz erkundigt, stößt ausschließlich auf Superlative: »Eine Fairtrade-Legende«, heißt es da, oder »Der beste Botschafter, den man sich wünschen kann.« Zusammengefasst: »Manfred Holz verbreitet die Idee des fairen Handels nicht nur, er lebt sie auch.«
Wer so gefeiert wird, könnte zum Abheben neigen. Nicht so Manfred Holz, der auf die Frage nach den Gründen für so viel Lob nur trocken antwortet: »Ich bin halt schon sehr lange dabei.« Das ist leicht untertrieben, denn Manfred Holz war oft treibender Initiator in Sachen Fairer Handel und globaler Gerechtigkeit, gleich viermal als Gründungs- und anschließend langjähriges Vorstandsmitglied: 1988 bei der Vereinigung ehemaliger Entwicklungshelfer:innen (VEHEMENT), 1990 bei der Neusser Eine Welt-Initiative (NEWI), 1991 beim Eine Welt Netz NRW und 1992 bei TransFair – heute besser bekannt als Fairtrade Deutschland.
Von TransFair zu Fairtrade
Der Verein TransFair ging aus der ein Jahr zuvor gegründeten AG Kleinbauernkaffee hervor. Die Vergabe des TransFair-Siegels in Deutschland war in den Anfangsjahren – wie in anderen Ländern auch – eher national geprägt, es gab weder Produzentennetzwerke in den Anbauländern noch die globale Fairtrade-Zertifizierungsgesellschaft Flocert GmbH. In den 2000er-Jahren wuchs die internationale Zusammenarbeit, einheitliche internationale Standards wurden etabliert. Seit 2003 werden in Deutschland Produkte mit dem internationalen Fairtrade-Siegel ausgezeichnet. Im Sommer 2021 wurde TransFair e. V. auf einstimmigen Beschluss der 36 Mitgliedsorganisationen in Fairtrade e. V. umbenannt.
Das Fairtrade-Siegel kennzeichnet Produkte, bei deren Herstellung klar definierte soziale, ökologische und ökonomische Kriterien eingehalten werden. Heute profitieren rund 1,7 Millionen Bäuerinnen und Bauern sowie Beschäftigte auf Plantagen aus 72 Anbauländern von der Sicherheit durch stabile Mindestpreise oder der Fairtrade-Prämie, die Gemeinschaftsprojekte zur Verbesserung des Alltags dieser Menschen finanziert: Von Bildung über Gesundheitsversorgung bis hin zur Produktivitätssteigerung und dem Aufbau demokratischer Organisationen, um die eigenen Interessen gemeinsam vertreten zu können.
Ein ganz besonderer Botschafter
Seit 2011 ist Manfred Holz Fairtrade-Ehrenbotschafter und hat nach eigener Schätzung bis heute mehr als 400 Städte, Landkreise, Gemeinden, Universitäten und Schulen als Fairtrade-Town, Fairtrade-University oder Fairtrade-School ausgezeichnet. Für die Auszeichnung zur Fairtrade-Town muss eine Kommune nachweislich fünf Kriterien erfüllen, die das Engagement für den Fairen Handel auf verschiedenen Ebenen einer Kommune betreffen. Dazu gehören unter anderem ein Ratsbeschluss, Bildung einer Steuerungsgruppe, ein entsprechendes Produktsortiment im Einzelhandel und in gastronomischen Betrieben sowie eine wirksame Presse- und Öffentlichkeitsarbeit für den Fairen Handel.
Was mag er an seiner Aufgabe besonders? »Es gibt für mich nichts Schöneres, als die Menschen mit meiner Laudatio gleichzeitig zum Schmunzeln und zum Nachdenken zu bringen«, sagt Manfred Holz. Besonders gerne erinnert er sich an Speyer: »Damals sind 6.000 Menschen auf den großen Marktplatz gekommen, um unter anderen die Ernennung zur Fairtrade Town zu feiern.« Doch der Ehrenbotschafter feiert nicht nur, er gibt auch Denkanstöße: »Nach der Auszeichnungszeremonie sitze ich mit der Steuerungsgruppe oft noch zusammen und dann überlegen wir, was die Stadt in den nächsten Jahren zusätzlich für den Fairen Handel tun kann.« Holz plädiert dafür, seine mitgebrachten Ideen und Initiativen anderer Fairtrade-Kommunen zu übernehmen: »Es gibt da kein Copyright, man muss das Rad nicht siezehnmal neu erfinden.«
Wanderjahre
Seine Fairtrade-Karriere begann in Neuss, doch geboren wurde Manfred Holz – noch heute unüberhörbar – 1947 in Tettnang unweit des Bodensees. Schon in jungen Jahren beschäftigte er sich in der Jugendarbeit der Katholischen Kirche mit Entwicklungsfragen. Nach einer Ausbildung zum Bankkaufmann und anschließender Tätigkeit bei der Sparkasse Ulm trampte er für ein Jahr durch die USA und Kanada, lernte anschließend in Madrid Spanisch und ging dann für zwei Jahre als Fachkraft für die Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe e. V. (AGEH) nach Venezuela.
Zurück in Deutschland qualifizierte sich Manfred Holz in Köln zum Betriebswirt und arbeitete bei der Privatbank Sal. Oppenheim, bevor er sich als Hausverwalter selbstständig machte. »Das war eine schöne Zeit. Meine Frau war im Schuldienst, ich konnte mir die Arbeitszeit und Ehrenamt frei einteilen und mich um Sohn und Tochter als Hausmann zu kümmern.« Als solcher galt er in Neuss, wo die Familie seit 1983 lebte, mitunter als Exot – auf dem Spielplatz oder beim monatlichen Ökumenischen Frauenfrühstück (»100 Frauen und ich als einziger Mann«).
Fairtrade Town Neuss
Am 2. Oktober 1990, wenige Stunden vor der Wiedervereinigung gründeten 16 Nichtregierungsorganisationen, Initiativen und kirchliche Gruppen die Neusser Eine Welt-Initiative (NEWI). Zuvor hatten sich verschiedene NRO aus Neuss an der bundesweiten Informationskampagne »Eine Welt für alle« unter der Ägide des damaligen Neusser Caritasverbandes im Mai beteiligt. Danach wurden die lokalen Eine Welt-Aktivitäten schließlich in der NEWI gebündelt. »Wir hatten damals große Unterstützung in der Stadt und im Rhein-Kreis«, erzählt Manfred Holz, »die richtigen Leute waren zur richtigen Zeit am richtigen Ort.« Bereits 1991 wurde im Rathaus fair gehandelter Kaffee und Tee ausgeschenkt, die »Neusser Kaffeekampagne« machte die Stadt des Märtyrers Quirinus in den folgenden Jahren bundesweit bekannt.
»Wir wollen, dass sich die NEWI von einer exotischen Nische zur akzeptierten Bürgerbewegung entwickelt«, schrieben die Gründer 1990. Und sie hatten Erfolg, mit beharrlicher Bildungsarbeit, Veranstaltungen, Ausstellungen und einer Maxime, die Manfred Holz als ein wichtiges Erfolgsrezept nennt: »Sie müssen sich Ihre Ansprechpartner: innen sofort ganz oben suchen. Wenn Sie unten anfangen, dauert das ewig, der Marsch durch die Institutionen macht irgendwann mürbe.« Er selber habe nie Probleme gehabt, mit guten Ideen Gehör bei den richtigen und wichtigen Personen zu finden: »Ob Ministerpräsident, Kardinal, Landrat, Bürgermeister oder Chefredakteur: in: Irgendwann hatte ich meine Termine.« So verwundert es in der Rückschau nicht, dass Neuss am 22. Juni 2009 als bundesweit zweiter Stadt der Titel »Fairtrade Town« verliehen wurde. Mittlerweile liegt die Zahl in Deutschland bei rund 800.
Ideenreicher Multiplikator
Als Vertreter von NEWI und VEHEMENT gehörte Manfred Holz 1992 zu den Gründungsmitgliedern von TransFair. Kurz zuvor hatte er den späteren langjährigen TransFair-Chef Dieter Overath kennengelernt: »Wir haben rasch gemerkt, dass wir in Sachen Fairer Handel ähnlich ticken.« Manfred Holz, der im Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Köln für acht Jahre den Ausschuss »Mission, Entwicklung, Frieden« leitete, nutzte seine guten Kontakte in die Kirchen, um die Idee des Fairen Handels in vielen Gemeinden zu verankern. Gleichzeitig entwickelte er unzählige Ideen und Projekte, wie etwa »Pfairrgemeinde« oder die »Kaffeewette«. 2011 wurde er für sein Engagement mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt und nahm die Auszeichnung gerne »stellvertretend für viele Akteur:innen« in Empfang.
Der jährliche Gesamtumsatz an Fairtrade-Produkten liegt heute bei zwei Milliarden Euro, vor allem Bananen, Kaffee, Blumen und Kakao erzielen stetige Wachstumsraten. Doch was auf den ersten Blick ermutigend aussieht, relativiert sich im Vergleich zum Gesamtumsatz des Einzelhandels in Deutschland, der laut Handelsverband bei rund 600 Milliarden Euro liegt – demnach hätten Fairtrade-Produkte einen Anteil von rund 0,3 Prozent. Es gibt also noch viel zu tun, das weiß auch Manfred Holz: »Wenn all jene, die sich in Umfragen zu fairen Produkten bekennen, diese auch in den Einkaufswagen legen würden, wären wir schon deutlich weiter.« Für ihn ist der Kauf von Fairtrade-Produkten kein Ablasshandel, sondern Ausdruck einer ethischen Grundhaltung: »Es geht vor allem um Würde. Damit zeigen wir, dass uns das Leben der Produzent:innen in den Ländern des Globalen Südens wichtig ist.«
Widerwillig erkennt Manfred Holz an, dass der unsägliche Slogan »Geiz ist geil« überaus erfolgreich war und ist. In seiner Kindheit gab es eine Faustregel, erzählt er: »Ein Wochenlohn für die Miete, einer für Kleidung und Freizeit und zwei für Essen und Trinken.« Heute geben die Deutschen nur rund zehn Prozent ihres Jahreseinkommens für Ernährung aus, ein im EU-Vergleich unterdurchschnittlicher Wert. Das Kostenargument lässt Holz nur bedingt gelten und erinnert sich an einen Satz seiner Mutter: »Wir sind zu arm, um etwas Billiges zu kaufen.«
Faire Kamelle
Ein Porträt von Manfred Holz bliebe unvollständig, würdigte man nicht seine Liebe zum Karneval. Seit 1992 verteilt er im Kostüm des alemannischen Hopfennarren auf dem Neusser »Kappessonntagszug« faire Schokolade und Kamelle unter das närrische Volk – mit einer vergleichsweise freundlichen Holzmaske. Vor 30 Jahren startete er noch als einziger fairer Jeck in der letzten Reihe des Karnevalszugs, mittlerweile führt er den Neusser Zug an und hinter ihm werfen die vielen Neusser Jeck:innen 11 Prozent des Wurfmaterials aus fairem Handel. 2017 wurde er Botschafter des Neusser Karnevals.
Besonders gerne denkt Manfred Holz an die Session 2015/2016 zurück, als der Neusser Karnevalsausschuss den vom legendären Wagenbauer Jaques Tilly entworfenen ehemaligen Prunkwagen des Düsseldorfer Prinzenpaares kaufte und unter dem Motto »Och mer Jecke sin FAIRrückt« erstmals auf die Züge in Neuss, Mönchengladbach und Düsseldorf schickte: »Das war herrlich, ich oben auf dem Wagen, stolz wie ein Karnevalsprinz!« »Jede Jeck es anders!« – dieses Kölsche Plädoyer für Toleranz bezeichnet Manfred Holz als einen der wichtigsten Leitsätze seines Lebens: »Du musst die Menschen so nehmen, wie sie sind.«
Weitere Informationen
=> www.fairtrade-deutschland.de
=> www.fairtrade-universities.de
=> Übersichtsseite Buch: Mehr Mut zur Nachhaltigkeit
FaireKITA