Urteil: Klimaschutz ist Menschenrecht
Urteil: Klimaschutz ist Menschenrecht
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte gibt Schweizer Klimaseniorinnen recht und stellt in Sachen Klimaschutz schwere Versäumnisse der Schweizer Regierung fest.
10. April 2024 – Es ist ein Urteil mit Signalwirkung: Schweizer Klimaschützerinnen haben vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) einen wichtigen Erfolg erzielt. Die Richter:innen entschieden, dass die Schweiz durch unzureichenden Klimaschutz die Menschenrechte von Seniorinnen verletzt. In ihrer Klage hatten die Klimaseniorinnen Schweiz vorgebracht, dass die „völlig unzureichenden“ Klimaschutzbemühungen der Schweizer Regierung sie in Gefahr bringen würden, beispielsweise bei einer Hitzewelle zu sterben.
Die Schweiz verstößt laut Urteil damit gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, da sie ihre Pflichten nicht erfüllt hat. Das Urteil könnte die Regierung in Bern dazu zwingen, bessere Maßnahmen zur Emissionsreduzierung zu ergreifen, und auch ihre Emissionsreduzierungsziele für 2030 zu überarbeiten.
Wegweisendes Urteil
Zwar berührt das Urteil zu den KlimaSeniorinnen nur die Schweiz, es hat aber trotzdem eine große Bedeutung: Denn die Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte betreffen nicht nur EU-Staaten, sondern auch andere Länder wie die Türkei oder Großbritannien. Das Urteil zur Klimaklage der Seniorinnen könnte daher zum Präzedenzfall für weitere Klimaklagen vor nationalen Gerichten werden.
Viele Expert:innen halten das Urteil für wegweisend, da es die erste Entscheidung zu den klimaschädlichen CO2-Emissionen eines Staates ist. Bisherige Entscheidungen hatten sich lediglich mit Umweltemissionen wie Lärm oder Luftverschmutzung befasst. Und in der Tat hatten die Richter sehr weitgehend geurteilt: Es gebe, so der Gerichtshof, ein Recht aus der Menschenrechtskonvention, wonach Vereine im Namen von vom Klimawandel Betroffenen einen besseren Klimaschutz einklagen können.
Stimmen zum Urteil
Ein großer Erfolg sei das, meint der Jura-Professor Gerd Winter. Er hatte in dem Verfahren verschiedene Umweltverbände als Verfahrensbeteiligte vertreten. Das Gericht habe bei der Schweizer Klage erstmals die Verbandsklage zugelassen, betont Winter: „Bisher konnten nur einzelne Personen klagen. Und das Gericht hat akzeptiert: Klimaschutz ist etwas anderes, Klimawandel betrifft sehr viele und da sollte man die Interessen bündeln können. Aber nur in der Form von Verbänden.“
Gianna Martini, Greenpeace-Expertin für Klima und Energie, hält das Urteil für einen historischen Erfolg: „Der Europäische Gerichtshof hat heute Geschichte geschrieben: Klimaschutz ist Staatspflicht.“ Die Schweiz werde ihre Klimaschutzziele drastisch anpassen müssen.
Ricarda Lang, Bundesvorsitzende der Grünen, hält das Urteil für „bahnbrechend“: „Es zeigt ganz klar: Klimaschutz ist Menschenrecht“, schrieb sie auf X.
Weitere Klimaklagen abgewiesen
Der Gerichtshof wies aber auch zwei weitere Klimaklagen ab: Zum einen die Klage von Damien Carême, einem ehemaligen Bürgermeister einer französischen Gemeinde an der Atlantikküste, zum anderen die Klage von sechs Portugiesen im Alter zwischen 12 und 24 Jahren, die 32 europäische Staaten zur Einhaltung von Klimaschutz verpflichten wollten. Ihre Klage hatte aber keinen Erfolg. Der Gerichtshof begründete sein Urteil, dass die Jugendlichen nicht beliebig viele Staaten verklagen können, die über ihr Leben in Portugal keine Herrschaftsgewalt hätten. Das wäre eine zu weitgehende Haftung von Staaten für die Folgen des Klimawandels in anderen Ländern.
Sechs weitere Klimaklagen
Sechs weitere Klimaklagen wurden in Straßburg bis zum heutigen Urteil ruhend gestellt. Jürgen Resch, Geschäftsführer der Deutsche Umwelthilfe verweist auf ein Verfahren, in dem neun junge Erwachsene mit Unterstützung der Umwelthilfe gegen die deutsche Bundesregierung klagen.
Klimaklagen, die Regierungen und Unternehmen zu wirksamen Klimaschutzanstrengungen zwingen wollen, haben in den letzten Jahren stark an Bedeutung gewonnen. Sie gelten als wesentlicher sozialer Treiber, um das Überschreiten der 1,5-Grad-Grenze zu minimieren.
Weitere Informationen
=> Mehr zur Urteilsbegründung beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte
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