Katja Breyer: Vielfältig engagiert

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»Ich gestalte gerne«

Katja Breyer: Vielfältig engagiert

Multiengagement ist das Erste, was einem zu Katja Breyer einfällt. Sie arbeitet als Fachreferentin für Eine Welt und Entwicklungspolitik, ist 1. Vorsitzende des Eine Welt Netz NRW, Stellvertretende Vorsitzende des Südwind-Instituts, Vorstandsmitglied in der Kampagne für Saubere Kleidung und Beauftragte für den Kirchlichen Entwicklungsdienst (KED) sowie Brot für die Welt in der Evangelischen Kirche von Westfalen.

Woher nimmt sie die Energie? Katja Breyer stutzt kurz, als hätte man sie nach etwas Selbstverständlichem gefragt, und antwortet dann knapp: »Ich gestalte gerne Dinge.« Schon während der Jugend in ihrer Heimatstadt Dresden habe sie sich mit der Lösung von Umweltproblemen beschäftigt: »In den 1980er-Jahren waren das Waldsterben und die Verschmutzung unserer Flüsse die großen Themen.« Sie engagierte sich in kirchlichen Umweltgruppen, initiierte Umweltprojekte an der Schule, unter anderem gegen die Belastung der Elbe mit Phosphaten aus Waschmitteln. Nicht immer gern gesehene Aktivitäten, auch kurz vor der sogenannten »Wende«, oder in Katja Breyers Worten: »Das war nicht staatskonform. Aber in der Schule hingen unsere Handlungsmöglichkeiten stark von der Schulleitung ab. Und unsere gab uns gewisse Spielräume.«

Nach ihrem Schulabschluss war Katja Breyer klar, dass sie sich auch beruflich für den Umweltschutz engagieren wollte. Das Studienfach Umweltschutz gab es in der Zeit vor der Wende noch nicht, deshalb begann sie ein Studium der Forstwissenschaft an der zur TU Dresden gehörenden Forstakademie Tharandt, einer der ältesten forstwissenschaftlichen Einrichtungen der Welt. Für ihr wachsendes Fernweh setzte sie im Studium mit Tropischer Forstwirtschaft einen passenden Schwerpunkt, ihre Diplomarbeit schrieb sie über forstwirtschaftliche Fragen in Ghana. Und ging – mittlerweile junge Mutter – nach China, um dort in einem Tropenwaldprojekt mitzuarbeiten: »Eine anstrengende, aber extrem spannende Zeit.«

Von Wittenberg nach Schwerte

Zurück in der Heimat entwickelte Katja Breyer im brandenburgischen Naturpark Stechlin-Ruppiner Land Umweltbildungsprogramme. Umgeben von 180 Seen und alten Buchenwäldern habe sie die Vor- und Nachteile ländlicher Regionen kennengelernt. »Eine wunderschöne Gegend mit herausragender Natur, aber manchmal eben auch sehr einsam.« Ihre nächste Station war das Kirchliche Forschungsheim in der Lutherstadt Wittenberg, eine Institution mit großem Ruf: »Das Kirchliche Forschungsheim war vor allem in den 1980er-Jahren die zentrale Stelle der unabhängigen kirchlichen Umweltarbeit in der früheren DDR.«

In Wittenberg arbeitete die Forstwirtin insbesondere entlang der Schnittstelle Umwelt – Eine Welt, beschäftigte sich mit konkreten Perspektiven des UN-Aktionsprogramms Agenda 21. »Mich hat vor allem interessiert, welche Auswirkungen unsere Art des Lebens und Wirtschaftens auf das Leben in anderen Regionen dieser Welt hat. Was es für die Artenvielfalt in Indonesien bedeutet, wenn wir mit vielen Produkten Palmöl konsumieren.« In Wittenberg habe sie sich auch immer tiefer in die Eine Welt- und auch Umweltarbeit der Evangelischen Kirche hineinbegeben und so schließlich ihren Ehemann Klaus Breyer kennengelernt, den Leiter des Instituts für Kirche und Gesellschaft in Schwerte, wo Katja Breyer heute lebt.

Wie gefällt es ihr im Ruhrgebiet? »Ich wollte nie in diese Region, aber mittlerweile fühle ich mich hier längst zuhause.« Die Vielfalt der Menschen, Städte und Landschaften gefalle ihr gut, »eine wunderbar bunte Mischung.« Die Evangelische Kirche Westfalen wurde zu ihrer beruflichen Heimat: Nachdem Katja Breyer zunächst im Rahmen befristeter Projektstellen Themen wie Klimagerechtigkeit und Nachhaltigkeit vorangetrieben hatte, arbeitet sie seit sieben Jahren beim Amt für Mission, Ökumene und kirchliche Weltverantwortung (MÖWe) als Fachreferentin Eine Welt und Entwicklungspolitik: »Meine erste unbefristete Stelle!«

Unsere Verantwortung

Katja Breyer ist auch Beauftragte für Brot für die Welt in der Evangelischen Kirche von Westfalen. Gemeinsam mit Kolleg:innen und den MÖWe-Regionalpfarrer:innen gestaltet sie Erntedankgottesdienste und Stände auf Kirchenkreisfesten, informiert in Vorträgen und nimmt an Podiumsdiskussionen teil. Sie erstellt Materialien wie »Ich will’s fair, ich kann nicht anders!«, und macht mit Aktionen wie »Reformationsbrot: Backen für Gerechtigkeit« auf die Arbeit von Brot für die Welt aufmerksam. Auch das Thema Klimagerechtigkeit spielt eine Rolle, etwa bei der Aktion Klimafasten, die Katja Breyer vor acht Jahren entwickelt hat und mittlerweile von Brot für die Welt gemeinsam mit MISEREOR und vielen evangelischen Landeskirchen und katholischen Bistümern in den knapp sieben Wochen vor Ostern zwischen Aschermittwoch und Ostersonntag durchgeführt wird.

2022 stand das Thema Ernährung im Mittelpunkt der Aktion. »Klimagerechtigkeit beginnt zuhause. Wir können uns bewusster ernähren, weniger Lebensmittel wegwerfen und auf Verpackungen weitgehend verzichten«, sagt Katja Breyer. Es gehe darum, »mit Kopf, Herz und Hand einen anderen Lebensstil« auszuprobieren. Der hohe Bedarf an Ressourcen in der konventionellen Landwirtschaft und im Lebensmittelhandel beschleunige den Klimawandel. Katja Breyer betont die Verantwortung von Industrienationen wie Deutschland: »Als Hauptverursacher des Klimawandels sind wir aufgefordert, die Menschen in den Ländern des Südens zu unterstützen, die am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben und so massiv unter seinen Folgen leiden.«

Süß statt bitter

Katja Breyer betreibt unentwegt Lobbyarbeit für »ihre« Themen, ist viel unterwegs, hält Referate und Vorträge zu Ernährung, zu den Umwelt- und Klimafolgen von Textilproduktion und -konsum oder zum Lieferkettengesetz. »Erfolgreiche politische Arbeit ist sehr wichtig und der wirkungsvollste Hebel für Verbesserungen«, sagt sie. Dass es dabei mitunter zäh zugehe, könne jedoch durchaus nerven. Deshalb freue sie sich über praktische Aktionen wie die von ihr selbst initiierte »Süß statt bitter«, bei der die die Evangelische Kirche von Westfalen gemeinsam mit vielen anderen Partnern zur Adventszeit Orangen anbietet, die »ohne Sklaverei und Gift« geerntet werden.

»Mit der Orangen-Aktion wollen wir auf die unmenschlichen Zustände und die moderne Form der Sklaverei bei der winterlichen Obsternte in Süditalien aufmerksam machen«, erzählt sie. Die Erntehelfer – rund 2.000 Wanderarbeiter und Geflüchtete – bekämen nur einen Hungerlohn, etwa 25 Euro für einen langen Tag knochenharter Arbeit. Zudem müssten sie im nasskalten Winter unter erbärmlichsten Bedingungen in Zelten, Containern und Hütten hausen. Partner der Aktion »Süß statt bitter« ist der Verein »SOS Rosarno«, der den Bauern in Kalabrien einen fairen Preis zahlt und Saisonkräften eine menschenwürdige Arbeit ermöglicht. »SOS Rosarno vertreibt Orangen nur von Betrieben, die ökologisch produzieren, und organisiert den Verkauf an Bioläden und Gruppen solidarischen Konsums«, erzählt Katja Breyer.

Glas halb voll

Die 50-Jährige muss kurz lachen angesichts des vielfach gehörten Vorwurfs, ihre Generation denke nur an sich und habe in ihrem entfesselten Egoismus der Welt die Klimakrise und sämtliche anderen Krisen eingebrockt: »Der Einsatz für Umwelt- und Klimaschutz, für Ernährungssicherheit und mehr Gerechtigkeit hat sicher nicht erst vor fünf Jahren begonnen. Ohne unsere langjährige Arbeit besonders auch im Bildungsbereich gebe es Initiativen wie Fridays for Future wahrscheinlich nicht, wäre auch die Kirche noch nicht so weit.« Gleichwohl ist ihr die Lücke zwischen Erkenntnis und eigenem Handeln nicht fremd: »Aber das gilt wohl für die allermeisten von uns.«

Sie sei glücklich darüber, dass Themen wie Klimaschutz und Klimagerechtigkeit immer breiter in der Gesellschaft verankert würden – auch wenn es (nicht nur) ihr oft viel zu langsam vorangehe. Da ist es gut, dass sie sich selber ein dickes Fell bescheinigt: »Richtig frustriert bin ich eigentlich nie, bei mir ist das Glas immer halb voll.« Höchstens vermisst sie ab und zu die klassische Naturschutzarbeit. »Ich würde gerne mal wieder Weiden schneiden oder Kröten über die Straße tragen.« Momentan und absehbar fehle dafür die Zeit, aber: »Wenn ich mal wieder Luft habe, mache ich das.«

 

Weitere Informationen

=> www.moewe-westfalen.de

=> www.eine-welt-netz-nrw.de

=> www.suedwind-institut.de

=> www.eine-welt-gruppen.de/orangen-aktion

=> Übersichtsseite Buch: Mehr Mut zur Nachhaltigkeit

 

 

Zukunft des Eine-Welt-Engagements