„Hunger ist eine Frage der Verteilungsgerechtigkeit!“

Menschenrechtsbildung in Uganda, Foto: FIAN
Menschenrechtsbildung in Uganda, Foto: FIAN

„Hunger ist eine Frage der Verteilungsgerechtigkeit!“

Wie Menschen aus Nordrhein-Westfalen aktiv werden können und welche Strategien FIAN bei der Bekämpfung des Hungers verfolgt, erklärt Philipp Mimkes, Geschäftsführer von FIAN Deutschland im Interview.

25. Juli 2024 – Die Welternährungsorganisation FAO hat gestern die aktuellen Hungerzahlen veröffentlicht. Demnach leiden 733 Millionen Menschen unter chronischem Hunger. Mehr als 2,8 Milliarden – also jeder Dritte – kann sich eine gesunde Ernährung nicht leisten. Die Menschenrechtsorganisation FIAN mit Sitz in Köln setzt sich weltweit für das Recht auf Nahrung ein. Philipp Mimkes, Geschäftsführer von FIAN Deutschland, erklärt im Interview, welche Strategien FIAN bei der Bekämpfung des Hungers verfolgt und wie Menschen aus Nordrhein-Westfalen aktiv werden können.

 

Wo liegen die Gründe für die weiterhin erschreckend hohen Hungerzahlen?

Philipp Mimkes, Geschäftsführer von FIAN Deutschland

Philipp Mimkes ist Dipl. Physiker und seit 2016 Geschäftsführer von FIAN Deutschland.

Hunger ist in erster Linie ein Problem der Verteilungsgerechtigkeit. Die Gründe liegen meist in Diskriminierung und Armut – zum Beispiel von ländlichen Bevölkerungsgruppen oder Indigenen – und nur selten in fehlenden Nahrungsmitteln. Und weiterhin hungern Frauen überdurchschnittlich oft. Die Ursachen sind vielschichtig und reichen von ungerechter Landverteilung, der Überschuldung vieler Staaten und dem Klimawandel bis hin zu ungerechten Handelsverträgen, Kriegen und den Folgen von COVID.

Dabei könnten wir schon heute über zehn Milliarden Menschen ernähren. Und tatsächlich ist der Hunger zu besiegen, vor allem mit ehrgeizigen Sozialprogrammen: Brasilien hat die Hungerbekämpfung zur nationalen Priorität erklärt und innerhalb von nur einem Jahr die Zahl der chronisch Hungernden um mehr als 80 Prozent verringert.

 

Welche Strategien verfolgt FIAN?
FIAN dokumentiert Fälle von Menschenrechtsverletzungen im globalen Süden, unterstützt Betroffene in rechtlichen Verfahren und setzt sich gegenüber der Bundesregierung für die Einhaltung menschenrechtlicher Vorgaben ein, zum Beispiel in der Entwicklungszusammenarbeit oder bei der Regulierung von Auslandsinvestitionen – und dies schon seit 1986. Dabei kooperieren wir eng mit den 21 FIAN-Sektionen in aller Welt.

Wichtig ist für uns auch das Thema Menschenrechtsbildung. Denn ob Erderwärmung, Biodiversitätsverlust oder Ressourcenkonflikte: Die globalen Probleme verschärfen sich, auch hierzulande. In dieser Krisenlandschaft ist Bildung ein wichtiger Schlüssel, damit sich Menschen für ihre eigenen Rechte einsetzen können, aber auch für die Rechte Dritter. Wir können dabei von unseren Partnern in Afrika, Lateinamerika oder Asien, bei denen menschenrechtliche Bildung und soziales Engagement meist Hand in Hand gehen, viel lernen.

 

Welche Relevanz hat dies für Deutschland?
Oft werden Menschenrechtsverletzungen als exklusives Problem des Südens verklärt. Diese Sichtweise entspringt nicht nur einem kolonialen Überlegenheitsdenken. Sie verschließt auch die Augen vor Realitäten wie Wohnungslosigkeit, Mangelernährung oder rassistischer Ausgrenzung. Eine „menschenrechtliche Brille“ kann verdeutlichen, dass beispielsweise Wasser, Wohnraum und gesunde Ernährung allen zustehen. Gleichzeitig ignoriert das verbreitete Bild von Deutschland als „Hüterin der Menschenrechte“, dass die Verantwortung für Rechtsverstöße im Globalen Süden oftmals bei uns liegt. Unser billiges Konsumieren führt zu himmelschreiender Ungerechtigkeit und auch ökologisch in die Sackgasse.

 

Wie können Menschen aus Nordrhein-Westfalen aktiv werden?
Man kann bei uns Mitglied werden! Wir haben in NRW viele Aktive, die sich an Abgeordnete wenden, unsere Briefaktionen unterstützen oder Veranstaltungen mit FIAN organisieren. Zudem kann man uns zu Seminaren oder Bildungsveranstaltungen einladen. So sind aktuell bei FIAN zwei Bildungsmodule zum Recht auf Wasser und zu globalen Rohstofflieferketten im Einsatz. Im kommenden Jahr wird ein neues Planspiel zu Menschenrechten im Klimaschutz angeboten. Darüber hinaus vermitteln wir menschenrechtliche Grundlagen. Hierbei werden kollektive Kämpfe und mutige Menschen, die sich gegen Unterdrückung und Ausbeutung eingesetzt haben, in den Mittelpunkt gestellt. Damit wollen wir gerade junge Menschen bestärken, sich für Menschenrechte einzusetzen. Wir wollen aufzeigen, dass die politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, in denen wir leben, veränderbar sind.

 

Wie kann man sich informieren?
Natürlich auf unserer Website www.fian.de – dort gibt es viele Hintergrundinfos zu unseren Themen. Außerdem publizieren wir das Magazin FoodFirst und ganz aktuell ein Sonderheft zum Thema Menschenrechtsbildung. Seit kurzem bieten wir auch einen regelmäßigen Podcast an. Die Podcasts sind auf allen gängigen Plattformen und auf unserer Website kostenlos verfügbar. Die erste Folge thematisiert das Menschenrecht auf Nahrung. In der zweiten Folge steht das Menschenrecht auf Wasser im Zentrum: Was bedeutet das Menschenrecht auf Wasser konkret? In den nächsten Wochen erscheint die dritte Folge mit dem Thema „Klimagerechtigkeit und das Recht auf Nahrung“. FIAN-Referent Marian Henn wird darin über die Situation von Kleinfischer:innen in Honduras berichten und die Bedeutung von Klimagerechtigkeit erläutern.

Wer Interesse an einer Bildungsveranstaltung mit FIAN hat, wende sich gerne an info@fian.de

 

Weitere Informationen

=> Mehr zu FIAN

=> FIAN-Pressemitteilung: Neue Welthungerzahlen: „Globales Wirtschaftssystem verursacht Hunger und Unterernährung“

=> FIAN-Sonderheft zum Thema Menschenrechtsbildung

=> Mehr zum FIAN-Podcast

=> Förderprojekt Z-5695: 75 Jahre „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“: Durch Menschenrechtsbildung zum Handeln kommen!