Wie geht Zuversicht trotz Klimakrise?
Wie geht Zuversicht trotz Klimakrise?
Wie schaffen wir es, an guten Lösungen zu arbeiten, anstatt ein schlechtes Gewissen zu haben?
25. Januar 2024 – Wollen wir etwas für den Klimaschutz tun, müssen wir unseren CO2-Fussabdruck reduzieren – so die gängige Auffassung. Das heißt zum Beispiel regional einkaufen, energiesparende LED-Lampen verwenden oder einfach weniger konsumieren. Mit individuellen CO2-Spartipps werden wir die Erderhitzung aber nicht stoppen, behauptet der Autor und Klimaexperte Gabriel Baunach in seinem Buch „Hoch die Hände Klimawende“. Er appelliert daran, den Fokus nicht auf unwesentlichen Konsum-Kleinklein und ein kollektives schlechtes Gewissen zu legen, sondern stattdessen wirkungsvolle Hebel zu betätigen. Welche das sind und wie das funktionieren kann, verrät er im Interview!
„Das beste Mittel gegen Angst, Hoffnungslosigkeit und Ohnmachtsgefühle ist kollektive Selbstwirksamkeit“
Interview mit Gabriel Baunach, Autor des Buches „Hoch die Hände Klimawende“
1. Warum schaffen wir es nicht mit der Holzzahnbürste die Erderwärmung zu stoppen – das ist doch eigentlich kein schlechtes Instrument, oder?
Natürlich ist es gut und richtig, auch im Kleinen umweltbewusstere Entscheidungen zu treffen, zum Beispiel eher Produkte aus Holz statt Plastik zu kaufen. Das Problem ist bloß: In der Welt von heute ist ein wirklich nachhaltiges Leben noch gar nicht möglich. Oft ist der Standard oder die günstigere und einfachere Option die klimaschädlichere – zum Beispiel beim Fliegen, Heizen und bei vielen Produkten. Das bedeutet: Um wirklich einen großen Beitrag zum Erhalt unserer Lebensgrundlagen zu leisten, sollte ich vielmehr zu strukturellen Änderungen beitragen. Denn wenn klimafreundliche Alternativen ermöglicht, einfacher, günstiger und sozial attraktiver werden, dann werden sich viel mehr Menschen klimafreundlicher verhalten. Und die Fußabdruck-Reduktion all dieser Menschen ist dann meine Handabdruck-Vergrößerung. Mit dem Handabdruck nehme ich also meine Mitmenschen in den Blick und werde zum Multiplikator für klimafreundliches Verhalten.
2. In der Umweltkommunikation wird seit vielen Jahren mit dem Modell des Fußabdrucks gearbeitet. Sie sprechen lieber vom Handabdruck – warum?
Die Menschen nur auf ihren ökologischen Fußabdruck hinzuweisen, individualisiert und entpolitisiert den planetaren ökologischen Notstand, in dem wir uns befinden. Das führt dazu, dass der Blick vom Politischen ins Private verschoben wird, man also eher mit dem Finger auf den vielfliegenden Onkel oder die fleischessende Nachbarin zeigt, als die Hauptverantwortlichen in Großkonzernen und Regierungen unter Druck zu setzen. Übrigens war genau dieser Effekt das Kalkül der Erdölfirma BP, als sie den CO2-Fußabdruck ab 2004 in einer riesigen Marketingkampagne verbreitete: mehr schlechtes Gewissen bei uns Endverbraucher:innen und weniger politische Ambition.
Nur wenn wir auch auf unsere Handabdruck-Hebel schauen, können wir ins wirklich effektive Klimahandeln kommen. Denn dann kommen wir beispielsweise beim Klimathema raus aus diesen kräftezehrenden individuellen Schuld-, Scham- und Scheinheiligkeitsdebatten. Stattdessen können wir uns der Frage widmen: Wo sind meine Einflussmöglichkeiten auf höhere, kollektive Ebenen mit größerer Wirkung? Wie kann ich zum Beispiel meine Nachbarschaft vernetzen, um einen neuen Radweg in der Straße zu fordern? Wie kann ich dazu beitragen, dass in der Uni- oder Firmenkantine mehr vegane Alternativen angeboten werden? Und welche demokratischen Mittel kann ich einsetzen, um die Regierung zu ambitionierteren Gesetzen zu bewegen? Das sind die Fragen, die weitaus wichtiger sind, als die Frage „Bio-Tomaten in Plastik verpackt oder konventionelle Tomaten in einer Pappschale?“.
3. Wie können wir unseren Handabdruck messen oder quantifizieren?
Das ist umso schwieriger und mit umso mehr Annahmen behaftet, je diffuser die Kausalketten sind. Aber es lassen sich bei vielen konkreten und unmittelbaren Handabdruck-Projekten ungefähre Größenordnungen angeben. So kann man zum Beispiel in einer Kantine durch einen Vorher-Nachher-Vergleich der verzehrten Speisen die Menge eingesparter Treibhausgase abschätzen, seitdem mehr vegane Optionen ins Menü aufgenommen und eventuell der CO2-Ausstoß pro Gericht angegeben wird. Hingegen ist es beinahe unmöglich, den Handabdruck einer Teilnahme an einer Klima-Demo zu quantifizieren – obwohl es mindestens genauso wichtig ist, seine politische Stimme zu erheben, wie das Kantinenmenü ökologischer auszurichten.
4. Vor allem viele junge Menschen empfinden vor dem Hintergrund des Klimawandels Angst und Trauer, fühlen sich gelähmt und sehen sich nicht in der Lage aktiv zu werden. Welche Tipps können Sie diesen Menschen mitgeben?
Die Klimapsychologie zeigt: Das beste Mittel gegen Angst, Hoffnungslosigkeit und Ohnmachtsgefühle ist kollektive Selbstwirksamkeit. Dazu passend lautet ein Zitat von Dr. Eckart von Hirschhausen: „Das Wichtigste, was ein Einzelner jetzt tun kann, ist kein Einzelner zu bleiben“. Das bedeutet: Jeder junge Mensch, der sich berechtigt große Sorgen um die Zukunft macht, sollte sich einer Gruppe anschließen (oder eine gründen), um dann mit Gleichgesinnten ins aktive Handeln zu kommen. Das kann klein anfangen, zum Beispiel mit einem Handabdruck-Projekt in der Uni-Mensa, der Forderung nach mehr Klimabildung in der Schule oder einer Spendenaktion für eine lokale Klimainitiative oder Umwelt-NGO. Wichtig zu verstehen ist: Hoffnung entsteht durch Handeln – nicht anders herum.
5. Andere sind wiederum überzeugt, dass sie persönlich nichts bewirken könnten, was antworten sie denen?
Das ist nicht wahr. Die US-amerikanische Anthropologin Margaret Mead drückte das wie folgt aus: „Zweifle niemals daran, dass eine kleine Gruppe bedachter, engagierter Bürger die Welt verändern kann; tatsächlich ist es das Einzige, was die Welt jemals verändert hat.“ Ohnmächtig und hoffnungslos fühlt man sich meistens nur allein. Hingegen habe ich mich in einer Menge von 10.000 Menschen, die für schnelleren Klimaschutz demonstrieren gehen, noch nie ohnmächtig oder hoffnungslos gefühlt. Entscheidend ist wie gesagt, sich eine Gruppe zu suchen, in der man seine Talente einbringen kann, und dann erreichbare Projekte zur Nachhaltigkeit anzugehen und (Zwischen-)Erfolge unbedingt gemeinsam zu feiern.
6. Was sind denn nun die wirklichen Hebel für eine Klimawende?
Es gibt vier Bereiche, in denen wir unseren Handabdruck vergrößern können: Erstens können wir im Privatleben häufiger, strategischer und konstruktiver über Klimaschutz sprechen und zu einer sozial-ökologischen Bank und Versicherung wechseln. Zweitens können wir im beruflichen Kontext den Job so wählen, dass dieser aktiv zur Klimawende beiträgt, und uns mit Kolleg:innen, der Gewerkschaft oder dem Betriebsrat zusammentun, um die Geschäftsführung zu ambitionierteren Klimaschutz-Maßnahmen zu bewegen. Drittens können wir uns gesellschaftlich für die Klimawende engagieren – beispielsweise in der Nachbarschaft, in Schulen, im Sportverein, in der Kirchengemeinde oder durch Spenden. Und viertens können wir unsere demokratischen Mittel einsetzen. Neben den Wahlen können wir auch Petitionen anstoßen oder unterschreiben, unsere politischen Abgeordneten kontaktieren oder uns selbst aufstellen lassen, Klimaklagen unterstützen, demonstrieren gehen oder strategischen und friedlichen zivilen Ungehorsam anwenden. Weitaus ausführlicher beschreibe ich diese und weitere Möglichkeiten allerdings im Buch „Hoch die Hände, Klimawende!“.
7. Nun fühlt sich vielleicht nicht jede:r zur:m Umweltaktivist:in berufen – Ihr Rat an solche Personen?
Bei dem Begriff „Aktivist:in“ denken die meisten Menschen an laute Personen auf der Straße. Wir können das Wort einfach ersetzen durch das Wort „Mitweltengagierte:r“ – und schon dürften sich die meisten Menschen angesprochen fühlen. Denn wer möchte sich nicht dafür einsetzen, dass seine Mitwelt und die Zukunft besser wird? Dafür muss man natürlich nicht den Weg des politischen Protests wählen. Wie ich zuvor sagte, kann man sich auch im eigenen Bekanntenkreis, im Unternehmen, in der Schule, bei Medien oder in der Nachbarschaft für den Erhalt unserer Lebensgrundlagen engagieren. Alles was es dazu braucht, ist etwas Mut und Entschlossenheit, ein paar Mitstreiter:innen und inspirierende Vorbilder, Selbstfürsorge und Pausen, um nicht auszubrennen.
Mehr zum Handabdruck
Am Dienstag, den 6. Februar von 19 – 21 Uhr, stellt Gabriel Baunach im Goldmund Literaturcafé, Glasstraße 2 in Köln-Ehrenfeld sein Buch vor. Anschließend gibt es eine Diskussion mit Vertreter:innen von Germanwatch zum Handabruck-Konzept und wie es sich umsetzen lässt.
Termin: Dienstag, 6. Februar, 19 – 21 Uhr, Goldmund Literaturcafé, Glasstraße 2 in Köln-Ehrenfeld
Weitere Informationen
=> Mehr zum Buch „Hoch die Hände Klimawende“
=> Mehr über Gabriel Baunach und Climaware
=> Mehr zum Handabdruck-Konzept
=> Zum Projekt Handwerkszeug für Zukunftshandeln
=> Zukunftsfähig – Der Germanwatch-Podcast für eine nachhaltige globale Gesellschaft
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