Dem Klimawandel eine Stimme geben

Dem Klimawandel eine Stimme geben

Das Theaterstück die Klima-Monologe von Regisseur Michael Ruf macht den Klimawandel begreifbar und gibt ihm ein menschliches Gesicht. Auch Schulen in Nordrhein-Westfalen können das Stück buchen

11. März 2024 – In dem dokumentarischen Theaterstück „Klima Monologe“ von Michael Ruf erzählen Menschen aus unterschiedlichen Regionen der Welt, welche Folgen der Klimawandel auf ihr Leben hat. Da ist Daniyal aus Pakistan, der Erdrutsche und Überschwemmungen erleben muss. Quabale aus Kenia, der die Rinder und Ziegen verhungern. Johora aus Bangladesch, der mehrere Zyklone und Fluten überlebt. Und Leigh-Anne, die in Kalifornien nur knapp den Flammen eines Waldbrandes entkommt.

Es sind erschütternde Geschichten, die unter die Haut gehen, weil sie echt sind. Wie schon bei seinen Vorgängerprojekten hat Regisseur und Autor Michael Ruf Interviews mit Betroffenen geführt, sie verdichtet und ineinander verschränkt. Ruf hat seine Art des dokumentarischen Theaters perfektioniert und auf das Wesentlichste reduziert: kein Bühnenbild, keine Kostüme. Stattdessen vier Schauspieler, die ihre Texte in Mikrofone sprechen. Klingt langweilig? Spannender kann Theater kaum sein. Mehr erklärt der Regisseur im Interview

 

„Wir wollen Handlungsoptionen aufzeigen und zum Engagement aufrufen“

Michael Ruf (Foto: Wort und Herzschlag guG)

Herr Ruf, Sie veranstalten dokumentarisches Theater zum Thema Klimawandel. Worum geht’s?
Dürren, Überschwemmungen, Stürme. Unbewohnbare Zonen und Verteilungskämpfe breiten sich aus. Das Zeitfenster, das noch zum Handeln bleibt, wird immer kleiner. Die Klima-Monologe erzählen von den weltweiten Kämpfen verschiedenster Menschen gegen den Klimawandel. Sie geben Einblick, wie Menschen in unterschiedlichen Regionen der Welt ganz konkret die Folgen des Klimawandels in ihren eigenen Biografien spüren.

Konkret erzählt das Theaterstück vom Überleben einer Familie in Bangladesch nach Zyklon Aila, vom Kampf einer Pastoralistin gegen den Hunger aufgrund der Dürre im Norden Kenias, von einem Klimaaktivisten aus Pakistan, dessen eigenes Dorf am Fuße eines Gletschers überflutet wurde und einer Krankenschwester, die nur knapp dem tödlichsten Flächenbrand in der Geschichte Kaliforniens entkommen ist.


Wie inszenieren Sie das Thema als Theaterstück?
Die menschlichen Geschichten stehen eindeutig im Vordergrund. Vier Schauspielerinnen und Schauspieler stehen auf der Bühne und sprechen quasi direkt zum Publikum. Es ist, als ob die Schauspieler:innen die Menschen im Publikum direkt ansprechen, ihnen die Hand reichen und sie reinziehen in eine Welt, die die Zuschauer:innen von nun an nicht mehr kalt lassen wird. Verwickelt, verschlungen, verbunden und vernetzt mit den Protagonist:innen der Monologe, folgt das Publikum gespannt den Wegen der erzählten Geschichten. Kostüme oder Bühnenbild benötigen wir nicht. Ergänzt wird das gesprochene Wort durch musikalische Begleitung, meist ein Cello. Und ich habe eigens für die Klima-Monologe Songs entwickelt, die dem Ganzen nochmal eine andere Dimension und eine andere Form der Ansprache geben.

Wortgetreues Theater – das müssen Sie uns erklären …
… ich habe rund 60 Interviews mit Menschen aus verschiedenen Regionen geführt, die mehrere Stunden, zum Teil ein bis zwei Tage gedauert haben. Diese Interviews sind in vier Hauptpersonen destilliert. Zum Beispiel leiht eine Schauspielerin einer Frau aus Kenia ihre Stimme und sie erzählt dann wortwörtlich ihre Geschichte: Wie reich die Familie bei ihrer Hochzeit war: Damals besaßen sie 110 Kühe, 50 Kamele und 150 Ziegen. Doch im Norden Kenias hat es seit zwei Jahren nicht mehr geregnet, und heute besitzt die Familie nur noch 4 Kühe, 5 Kamele und keine einzige Ziege mehr und selbst die verbleibenden Tiere können keine Milch mehr geben. Die Schauspieler:innen erzählen auf der Bühne die Geschichte genauso, wie sie mir erzählt wurde.

Das ist ja nicht immer leichte Kost. Wie reagieren Jugendliche auf Ihre Stücke?
Wichtig ist, dass wir nach den Stücken immer auch Publikumsgespräche mit Aktivist:innen bzw. Expert:innen führen. Unter den so genannten Diskutant:innen finden sich z.B. Vertreter:innen von Fridays for Future, BUND-Jugend oder dem Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Ein wichtiges Thema der Publikumsgespräche ist natürlich, dass wir keine Ohnmacht erzeugen, sondern Handlungsoptionen aufzeigen und zum Engagement aufrufen.

Und klappt das?
Anfangs sind die Teilnehmer:innen ein wenig schüchtern, aber nach kurzem stellen sie viele Fragen, weil sie das Gehörte besser verstehen wollen. Und durch die Identifikation mit den Protagonist:innen der Klima-Monologe ist die Motivation auch hoch, sich jetzt intensiver mit dem Thema zu beschäftigen.

In Berlin-Neukölln kann man ihre Stücke bereits anschauen. Wann kommen Sie nach Nordrhein-Westfalen und gibt es auch hier die Möglichkeit mit Schulklassen Vorführungen zu besuchen?
Ein bundesweites Netzwerk von Schauspieler:innen und Musiker:innen bietet die Theaterstücke dar. Somit sind es meist regionale Schauspieler:innen und Musiker:innen, welche die Monolog-Stücke aufführen. Dadurch können die Produktionen mit vergleichsweise wenig Aufwand auf die Bühne gebracht werden. Gerade auch in Nordrhein-Westfalen gibt es tolle Künstler:innen, mit denen ich dann vor Ort die Produktion darbiete. Somit sind die Fahrtwege wesentlich geringer als bei herkömmlichen Touren – dies macht das Projekt ressourcenschonend, umweltfreundlich und nachhaltig. Eine Einladung in eine Schule ist somit deutlich einfacher als erwartet und leichter durchführbar wie die Einladung anderer Theaterstücke. Lehrkräfte können uns am besten per E-Mail anfragen: info(at)wort-und-herzschlag.de.

Sie bieten außerdem noch Workshops an?
Warum sollte nur ich als Autor Interviews mit Personen machen, die vom Klimawandel betroffen sind. Schülerinnen und Schüler können dies auch tun. Gerade in Bangladesch und Kenia konnten wir hier gute Kontakte etablieren, womit junge Menschen – angeleitet und begleitet – über Zoom selbst intensive Gespräche führen können. Ein ganz besondere Lernerfahrung. Wir nennen das „Klima-Dialoge“. Nähere Infos gibt es gerne auf Anfrage.

 

Weitere Infos:

=> Mehr zu Wort und Herzschlag

=> Tagesspiegel Online über die Klima-Monologe

=> RBB Inforadio über die Klima-Monologe

=> Förderprojekt Z-5642 Bildungstheater: Die Klima- und Mittelmeermonologe

 

 

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