BNE – eine Steilvorlage für die Zivilgesellschaft
BNE – eine Steilvorlage für die Zivilgesellschaft
Wie eine Transformation gelingen kann
Worauf zielt „Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE)“, wie sie im Weltaktionsprogramm von allen Staaten beschlossen und Ende 2019 noch einmal neu als „Education for Sustainable Development: Towards achieving the SDGs (ESD for 2030)“ formuliert worden ist? Viele Gruppen, die sich für eine nachhaltige Entwicklung und für globale Gerechtigkeit in unserem Land engagieren, werden in dem UN-Dokument (erstaunt?) wiederfinden, was sie selbst schon lange antreibt: der Wunsch nach Veränderung, nach grundlegender Transformation, die Zielsetzung, Menschen zu transformativen Handlungsweisen zu befähigen und die strukturellen Ursachen der offensichtlichen Fehlentwicklung auf unserem Planeten in den Blick zu nehmen.
Lernen für die Transformation
Das UN-Dokument „ESD for 2030“ stellt das „transformative Lernen“ in den Mittelpunkt. Bildung für nachhaltige Entwicklung soll vor allem jene Kompetenzen, insbesondere die Gestaltungskompetenz, stärken, die wir brauchen, um unsere Gesellschaften zu verändern hin zu einer nachhaltigen Lebensweise. Wir dürfen nicht nur, wir sollen sogar die „Systemfrage“ stellen, die strukturellen Ursachen für die Fehlentwicklungen aufzeigen, insbesondere den Zielkonflikt zwischen Wirtschaftswachstum einerseits und dem Erhalt der Ökosysteme andererseits thematisieren. Damit geht „ESD for 2030“ mit einem deutlich politischeren Profil über das hinaus, was gerade in unserem Land in Zusammenhang mit BNE an verschiedenen Stellen formuliert wurde.
Die Zielgrößen dieser Transformation sind in den „nachhaltigen Entwicklungszielen“ (SDGs) formuliert. Die SDGs konkretisieren, worauf BNE abzielt – und gleichzeitig ist eine gelingende Bildung für nachhaltige Entwicklung Voraussetzung dafür, dass die SDGs überhaupt erreicht werden können. Die Nachhaltigkeitsziele – so „ESD for 2030“ – verhindern, dass BNE in inhaltsleerer Beliebigkeit als Aufruf zu mehr Bildungsanstrengungen verstanden wird. Diese Ausrichtung auf die SDGs kommt vielen Gruppen und Organisationen entgegen, die sich im Themenfeld Globales Lernen/BNE engagieren und sich dabei immer häufiger auch auf die nachhaltigen Entwicklungsziele beziehen.
Transformatives Lernen braucht aber nicht nur die richtigen Inhaltsfelder. Es geht auch um eine qualitative Gestaltung von Lernprozessen, soziale und emotionale Lernerfahrungen möglich zu machen und die Menschen zu ermutigen, Haltungen zu entwickeln und sich für Veränderungen einzusetzen. Das „ESD for 2030“-Dokument nennt hier drei Lernschritte: den Erwerb von Wissen über die Welt, eine kritische Analyse der Realität, in der wir leben, und schließlich die Entwicklung von Empathie, Compassion (Mitleidenschaft) und Solidarität. Es reicht nicht, immer nur herauszustellen, was sich alles ändern soll. Menschen brauchen auch Gelegenheit, (emotionale) Lernerfahrungen zu machen, die ihr Selbstbewusstsein und ihre Selbstwirksamkeit stärken und die sie ermutigen, sich zusammen mit anderen für „eine bessere Welt“ einzusetzen.
Notwendige Brüche
Bemerkenswert ist auch, dass das UN-Dokument „ESD for 2030“ nicht davon ausgeht, dass die angestrebte Transformation ohne Konflikte und ohne Brüche geschehen wird. Vielmehr sei ein bestimmtes Maß von „Disruption“ notwendig, wenn die nicht nachhaltigen Muster unserer Lebensweise aufgebrochen und alternative Entwicklungspfade beschritten werden sollen. Genannt werden Mut und Entschlossenheit, nicht weiterzumachen wie bisher, alte Sicherheiten und die üblichen Denkweisen zu verlassen.
Vielleicht liegt hier eine besondere Aufgabe, aber auch eine besondere Chance der Zivilgesellschaft, von Gruppen und Initiativen, die politischen Widerstand leisten, wie Schüler:innen, die Fridays-for-Future-Demonstrationen besuchen statt den Unterricht, die aber auch in ihrem persönlichen Verhalten diese „Brüche“ repräsentieren: Veganismus statt Billigfleisch, Abkehr vom Fetisch Auto, Kleidertauschbörsen statt Fast Fashion, Fair Trade statt „Hauptsache billig“ oder Foodsharing statt Lebensmittelverschwendung – alle diese Ansätze können eine solche „Disruption“ bedeuten, Hinweis darauf, dass wir auf andere Weise Zukunft gestalten wollen.
Wenn der Beitrag zur Veränderung – wie im Weltaktionsprogramm beschrieben – tatsächlich das entscheidende Kriterium für eine gelingende BNE sein soll, dann ist die Beteiligung von engagierten Gruppen und Initiativen an BNE-Lernprozessen von größter Bedeutung. Denn immer, wenn es um Veränderung geht, sind Menschen wichtig, die durch ihr persönliches Zeugnis dafür stehen, dass der Einsatz für eine bessere Welt möglich ist und Sinn macht. Dabei geht es nicht nur um das Engagement selbst, sondern auch um die Motivation der Akteure und deren Fähigkeit, mit Schwierigkeiten und Enttäuschungen umzugehen, die mit jedem Engagement verbunden sind. Vielleicht ist die Auskunft seitens der Engagierten über derartige persönliche Erfahrungen nicht weniger wichtig als die inhaltlichen Botschaften, die sie vertreten.
BNE braucht „Taten für morgen“
Gruppen und Einzelne können durch ihr Engagement zeigen, dass Schritte in Richtung Zukunftsfähigkeit möglich sind. Die Krisen der Welt werden schon genug analysiert und viele „Aufklärer“ erschöpfen sich doch allzu oft in der Konstatierung des Kaputten. Engagierte Gruppen können zeigen, dass Veränderungen möglich sind. Dabei geht es nicht nur um persönliche Verhaltensweisen wie die Reduktion des ökologischen Fußabdrucks, sondern auch um politisches Engagement. „Fridays for Future“ hat gezeigt, dass hier viel mehr möglich ist, als wir meist glauben.
BNE braucht Kommunikation mit „den anderen“
Die Chance, den Echoraum der Gleichgesinnten zu verlassen, haben Gruppen und Initiativen gerade durch ihr glaubwürdiges Engagement. Sofern sie nicht mit dogmatischem Eifer und Alleinvertretungsanspruch für die Wahrheit auftreten, gibt es in Vereinen und VHS-Kursen, in Kirchengemeinden und Heimatvereinen, in Begegnungsstätten und Frauengemeinschaften und vielen weiteren die Bereitschaft, sich anzuhören, „was junge Menschen in ihrem Engagement antreibt“.
BNE braucht die Öffnung der Schule
Die Ansicht, Politik gehöre nur dann in die Schule, wenn sie theoretisch bleibt, wäre im Sinne der BNE zu überwinden hin zu einem Verständnis, das auch das Engagement in den Unterricht (Politik, GL, SoWi) einbezieht und Menschen vorstellt, die sich für eine soziale und ökologische Nachhaltigkeit einsetzen. Einseitige Indoktrination oder Überwältigung sind damit selbstredend nicht gemeint. Es bleibt die Aufgabe der Lehrerin oder des Lehrers, dies zu verhindern.
Kontakt
Georg Krämer
Bildungsreferent
Welthaus Bielefeld e.V.
E-Mail: georg.kraemer[at]welthaus.de
Weitere Informationen
=> Förderprojekt: E-4627 Unterrichtsmodule des Globalen Lernens zu den NRW-Kernlehrplänen – Update und neues Design
=> Förderprojekt: Z-5494 Welternährung neu denken – Materialien und Medien zum weltweiten Ernährungswandel
=> Förderprojekt: E-4995 Do you (r) Mind?! – Qualifizierung von Jugendlichen zu entwicklungspolitischem Engagement
Resultate-Ausgabe zu BNE